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HALB MENSCH, HALB MASCHINE  …

Das facettenreiche, autarke Oeuvre der Berliner Künstlerin Mirella Anna Pietrzyk weicht völlig der stilistischen Verortung aus. Beharrt es doch trotzig auf dem ganz eigenen Platz jenseits herkömmlicher Entwicklungslinien der Kunst. Die elegant gekleideten, entkleideten Frauen mit Facettenaugen, gewaltigen Bienenkorbfrisuren, halb Mensch, halb Maschine, dreibrüstig mindestens, vier Mäuler, inmitten eines ganzen Universums bizarr anmutender Kreaturen und Phantasmagorien, die der eigenwilligen Malerin seit einem Jahrzehnt posieren, sind zum Markenzeichen ihres Schaffens geworden. Die Künstlerin indes entzieht sich geflissentlich dem Gespräch über ihre Modelle, Kreaturen, Bilder. Selbst den eigenen Werken, diesen futuristisch-rätselhaften, surrealistisch-abstrakten Schöpfungen, verweigert sie seit Jahr und Tag die Namensgebung. Mirella Pietrzyk muss als starke Vertreterin der fantastisch-surrealen Malerei bezeichnet werden. Quellen der Inspiration sind, so die Berlinerin, Träume, das Wechselspiel zwischen Realität und Imagination, sowie das Kunst-schaffen von Meret Oppenheim, Zdzisław Beksiński, Max Ernst, die Bücher des Welt-Literaten Stanislaw Lem.

Manch Ausstellungsbesucher meint, die Malerin zeichne makabere Fantasien endlos. Andere sind erschrocken, derangiert, blicken sie doch Außer-Wirkliches, Bedrohliches, auf Leinwand, Papier festgezurrt. Denn: in Pietrzyks Werken spiegelt nichts, rein gar nichts, vertraute momentane Realität. Doch wer behaupte, Mirella Pietrzyks künstlerische Momentaufnahmen wären Ausgeburten der Fantasie, der beobachte in ruhiger Sekunde die Welt im toten Winkel des Auges: der Aufmerksame entdeckt: darinnen sind die fantastisch-schrägen, mitunter schaurigen Visionen der Künstlerin allgegenwärtig. Mirella Pietrzyks Stil zeichnet sich aus durch eine überwältigende Opulenz atemberaubend leuchtender Farben sowie eine beeindruckende Beherrschung menschlich-surrealer Form. Ihre Bilder stellen unsere äußere Realität nie in Frage, schaffen indes künstliche Realität: das Dasein in den Perspektiven des Zukünftigen, Vergangenen, Parallelen, irgendwo, irgendwann – nicht ohne leise Zuversicht, jedoch nicht ganz ohne Schrecken …  Auf die Malerin Mirella Pietrzyk trifft zu, was der polnische Kunstkritiker Andrzej Osęka vom Maler Zdzisław Beksiński behauptete: Diesen seltenen Mut zu haben, in der Kunst genau das, was man wolle, zu machen.

 

Jürgen Cain Külbel

erschienen im Katalog 2016