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SURREALISMUS UND ENGAGIERTE KUNST

Die in Polen gebürtige Malerin und Modedesignerin Mirella Pietrzyk hat sich mit ihren grotesk-phantastischen Frauengestalten, teils Mensch, teils Tier, auf bewusste Provokation und ausgeklügelte Verblüffungseffekte verlegt. Ihre Figurationen haben Facettenaugen, mehrere Brüste, sie tragen gewaltige Haartrachten, sind von Meeresbewohnern umgeben oder mit ihnen verwachsen. Hat die Malerin hier Verzerrungen, Missbildungen, Entartungen als Symbole der allgemeinen kulturellen Situation empfunden und eingesetzt? Es ergibt sich hier eine enge Beziehung zwischen Surrealismus und engagierter Kunst. Sie hat so ihre eigene »Mythologie« geschaffen. Die Wirklichkeiten ihrer Erlebniswelt durchdringen sich gleichzeitig, und jedes Moment bricht mehrfach aus dem gleichen Moment hervor: Die psychische Wirklichkeit überströmt die äußere Realität mit unaufhaltsamer Intensität. Halluzinatorische Wunsch- oder Angstträume werden mit den Mitteln der bürgerlichen Wirklichkeit realisiert. Mirella Pietrzyk ist mit ihrer Kunst in einem Grenzbereich angesiedelt, was dem nicht widerspricht, dass ihre Bilder faszinieren. Das resultiert aus der scheinbaren Anteillosigkeit und der Gefühlskälte des Vortrags, dem »luftleeren« Raum zwischen Bild und Betrachter. Alles ist mit Präzision auf das Funktionieren des Bildes als Spiel und als Gesamtgestalt hin aufgebaut.

Klaus Hammer

Auszug aus: neues deutschland vom 21.06.2017